Donizettis Geburtsstadt Bergamo bot mit ihrem lebendigen und gastfreundlichen Festival im herbstlichen Sonnenschein den perfekten Rahmen für das freudige Wiedersehen von 240 Kollegen nach viel zu langer Isolation. Die Themen der Konferenz - Erneuerung und Verantwortung - wurden aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, wobei das Fachwissen von Managern durch die Stimmen von Künstler:innen und die aktive Teilnahme von 21 jungen Delegierten unseres neuen Opernmanagementkurses ausgeglichen wurde. Die Mitglieder schätzten den direkten persönlichen Kontakt, der zu Fragen und ehrlichen Antworten ermutigte, was wiederum das Vertrauen und das Gefühl der Zugehörigkeit zu unserer gemeinsamen Sache förderte, die über das Überleben jedes einzelnen Theaters hinausgeht.
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde als das Zeitalter der Angst bezeichnet. Doch sie brachte in den 1920er Jahren auch ein Jahrzehnt außergewöhnlicher kultureller Kreativität hervor. Die Salzburger Festspiele nahmen für sich in Anspruch, Harmonie in eine zerrüttete Welt zu bringen. Die Eröffnungsproduktion und das bleibende Symbol der Festspiele war Hofmannsthals Version von Jedermann.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb W. H. Auden ein langes Gedicht mit dem Titel The Age of Anxiety (Das Zeitalter der Angst), das Leonard Bernstein zu seiner zweiten Sinfonie inspirierte, welcher der Komponist den gleichen Titel gab. Im selben Jahr 1947, in dem Auden sein Gedicht veröffentlichte, wurden die Internationalen Festivals von Aix-en-Provence und Edinburgh ins Leben gerufen. Sie stellten eine echte Botschaft des Friedens dar: Kunst als Symbol der Erneuerung. Viele Jahre lang war das Logo des Edinburgh Festivals eine Zeichnung von Jean Cocteau mit weißen Tauben.
Ein Jahrhundert, respektive ein halbes Jahrhundert später erleben wir erneut ein von einer Pandemie ausgelöstes Zeitalter der Angst. Diesmal besteht die Befürchtung, dass sich die Kunst eher als Opfer denn als Heilmittel sieht. Die Hinterfragung überkommener und in einigen Fällen diskreditierter Modelle, die wir auf unserer Konferenz in Bergamo gehört haben, ist gesund. Es ist höchste Zeit, dass wir uns bemühen, inklusiver, nachhaltiger und weniger hierarchisch als in der Vergangenheit zu werden. Die Künstler:innen sollten ihre Sorgen über die Zukunft ihres Berufsstandes äußern. Sie haben guten Grund, sich Sorgen zu machen.
Aber es reicht nicht aus, die Missstände in der Gesellschaft und in der Kultur, die erstere widerspiegelt, zu diagnostizieren. Die Aufgabe der nächsten Jahre besteht darin, Reformen einzuleiten, die den Opernsektor verändern. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit FEDORA an den drei Säulen von Next Stage; und unser umfangreiches Programm für das Jahr 2022 ist den Sorgen von Künstler:innen und Managern gewidmet, sowie der Frage, wie diese gelöst werden können. Wie können Opernhäuser eine bessere Beziehung zum alten und neuen Publikum aufbauen? Inwieweit sollte sich das Geschäftsmodell weiterentwickeln? Wie kann ein breiterer Querschnitt der Gesellschaft lernen, die Oper zu mögen?
Ängste sind anstrengend, aber sie können uns kreativ machen.
Nicholas Payne